Die letzten Tage waren schwierig. Für jemanden der so gerne redet gab es nichts zu sagen. Im Hals legte sich ein Kloss in der Grösse eines Fussballes. Und plötzlich wollten sie alle über den Frauenfussball reden, stellten Fragen zu einer Spielerin, die sie doch schon längst für ihre sportlichen Erfolge hätten kennen müssen. Fragen zu einem tragischen Nachmittag.
Und wie gerne erzähle ich aber lieber von ihrer Übersicht, ihrer Technik. Der Leichtigkeit mit der sie zum Abschluss kam. Der vielen Laufarbeit, die sie so mannschaftsdienlich machte, den satten Schüssen aus der Distanz. Sportliche Erfolge, die ihr so viel bedeuteten und die wir miterleben durften.
Doch mehr als von den sportlichen Leistungen, will ich ihnen lieber erzählen was für ein toller Mensch Florijana Ismaili war. Immer freundlich, fröhlich, bedankte sie sich bei nahezu jedem am Spielfeldrand für seine Anwesenheit. Star-Allüren kannte sie keine. Ihre Energie war ansteckend. Alle die um sie herum waren kamen nicht mehr aus dem Strahlen und Lachen, denn Florij hatte ein Talent, das richtige und passende zu jedem Moment zu sagen.

Ein Nachruf an Florijana Ismaili, BSC Young Boys und Schweizer Nationalspielerin, die am 02.07.2019 zu früh von uns ging.
Deshalb war sie auch schon immer die richtige Anführerin. Selbst in Momenten ohne die Kapitänsbinde war klar, dass alle im Team zu ihr aufschauen. Das letzte Jahr zeigte es mir deutlich. Immer wieder trieb sie ihr Team an, holte Spielerinnen und redete ihnen Mut zu, ihr erstes Interview zu geben. Alles mit einem Zwinkern im Auge, damit sie selbst kein Interview geben musste. Im Rampenlicht stand sie nicht gerne – obwohl sie sich darin so graziös bewegte.
Für immer in Erinnerung wird mir unser letztes Interview bleiben. 0:5 Niederlage im Cup-Final. Nachdem sie ihr Team auf die lange Runde um den Platz führte, um den vielen anwesenden Fans zu danken, schritt sie mit breiter Brust und langen Schritten in Richtung Spielertunnel. Sie streckte mir die Hand entgegen mit den Worten «möchemer Grad». Es gab für sie keinen Zweifel, dass sie sich den Medien stellte, die Kameras und Mikrofone auf sich richten liess, damit die Kolleginnen ungestört in die Kabine gehen konnten. Wir sprachen über das Spiel, aber schnell war das Thema des Interviews klar – der Stolz. Stolz eine junge Mannschaft so weit gebracht zu haben, Stolz darauf, wie sich diese jungen Frauen um sie herum entwickelt haben, Stolz ein Teil einer Erfolgsgeschichte zu sein.
Sie trug das ganze Interview hindurch ihre Silber-Medaille um den Hals. Eine willkommene Abwechslung zu den vielen erfolgsverwöhnten Sportlern, die nach der Medaillenübergabe sofort das Silber wieder von der Brust abstreifen. Auch das war sinnbildlich für ihre Person. Sie spielte Fussball mit Freude und Überzeugung. Pressetermine und Interviews nahmen ihr die sonst schon so geringe Freizeit – aber sie wusste, sie musste diese wahrnehmen, die Fackel des Schweizer Frauenfussballs in die Welt hinaustragen, damit alle Spielerinnen, die nach ihr kommen, davon profitieren können. Sie war eine der grössten Botschafterinnen für den Sport.
Für mich als Secondo hatte dies auch eine tiefere Bedeutung. Florij sprengte Grenzen auf – für uns alle. Als Berner Modi, mit einem waschechten, hinreissenden Berner Dialekt liess sie innerhalb von Sekunden alle Vorurteile dahinschmelzen. Sie zeigte, wie gute Integration funktioniert und einer breiten Öffentlichkeit, dass auch Frauen mit Migrationshintergrund erfolgreich sein können. Sie war ein Vorbild für so viele Mädchen und Jungen zweiter und dritter Generation in der Schweiz und für uns eine Verbündete, die zeigt wie wichtig unsere Rolle in der Gesellschaft ist.
Der Schweizer Frauenfussball wird ohne Florijana Ismaili nie wieder derselbe sein. Dass sie uns allen für ewig in Erinnerung bleiben wird, dafür hat sie mit ihrer einzigartigen Persönlichkeit selber gesorgt. Unsere Aufgabe ist es jetzt, dafür zu sorgen, dass ihre Stimme für immer gehört wird.
Unsere Gedanken sind bei der Familie und den Angehörigen sowie den Teams und Staff des BSC Young Boys und der Schweizer Nationalmannschaft der Frauen.

Florijana Ismaili bei unserem letzten Interview, nach dem Cup Final 2019